Auf Spurensuche bei Roland und Hilde Nordhoff

Die Liebesgeschichte und Lebenswege von Roland und Hilde Nordhoff, die in der damals selbstständigen Stadt Oberfrohna lebten, schildern nicht nur ihre persönliche Beziehung – sie öffnen ein Fenster in die Alltagserfahrungen der Menschen im Sachsen der Jahre 1938 bis 1946. Es handelt sich um mehr als 2.600 Briefe, die zwischen Mai 1938 und Februar 1946 geschrieben wurden und die mittlerweile bis zum April 1943 digitalisiert worden sind.
Die Briefe dokumentieren eindrücklich die Herausforderungen, Hoffnungen, Ängste und Träume eines jungen Paares während des Zweiten Weltkriegs und der unmittelbaren Nachkriegszeit. Zu Beginn ihres Briefwechsels schrieben sie sich ein- oder zweimal in der Woche. Während des Zweiten Weltkriegs tauschten die beiden jedoch mitunter mehrmals am Tag Briefe aus. Hierbei besprechen sie eine Vielzahl von Themen – so beispielsweise Familie und Freunde, religiöser Glaube, Kunst und Kultur, Lebens- und Arbeitsbedingungen, aber auch nationalsozialistische Politik und mit dem Zweiten Weltkrieg einhergehende Entwicklungen.
Roland Nordhoff wurde 1907 in Kamenz, einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, geboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna nahe Chemnitz, bis er im Frühjahr 1938 nach Lichtenhain in Sachsen versetzt wurde. Um diese Zeit war er zudem der NSDAP beigetreten. Am 13. Juli 1940 heiratete er schließlich Hilde Laube.
Im August 1940 wurde Roland Nordhoff wie seine Brüder Hellmuth und Siegfried in die Wehrmacht einberufen und für die militärische Grundausbildung nach Barkelsby bei Kiel geschickt. Er wurde in Schleswig-Holstein zum Maat ausgebildet, um als Schreiber bei der Kriegsmarine zu dienen. Daraufhin wurde er zunächst 1941 nach Plovdiv in Bulgarien versetzt und schließlich nach Thessaloniki in Griechenland, wo er auch 1942 noch stationiert war. Weitere Aufenthaltsorte waren Sofia, Bukarest sowie auf der Krim, bis er nach Bulgarien zurückgekehrt ist. Er diente der Kriegsmarine bis zum Ende des Krieges, wo er von der Roten Armee in Kriegsgefangenschaft genommen wurde. Der Briefwechsel endet, als er im Februar 1946 aus der Kriegsgefangenschaft zu Hilde Nordhoff zurückkehrte.
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna. Nachdem Roland Nordhoff aus Oberfrohna wegziehen musste, schrieb sie ihm am 4. Mai 1938 einen ersten Brief, in dem sie ihre Liebe offenbarte.
Der Briefwechsel bezeugt Hilde Nordhoff als starke, mutige, ehrgeizige und romantische Frau, die mehr vom Leben wollte. Sie war eine gottgläubige Christin, und wenn sie womöglich in politischen Fragen gutgläubig war, so stellte sie doch auch kritische Fragen zu wichtigen Themen des Zeitgeschehens.
Sie blieb über die gesamte Zeit des Briefwechsels in Oberfrohna wohnen, wo sie während des Krieges ihren Eltern im Haushalt half und sich um eine „Kinderschar“ der Deutschen Kinderschar (DK), einer Unterorganisation der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), kümmerte.
Das Projekt „Alltag und Krieg“ wird von Jugendlichen aus der Region Limbach-Oberfrohna umgesetzt und ist Teil des alljährlich stattfindenden „Spurensuche“-Programms der Sächsischen Jugendstiftung. Die Jugendlichen widmen sich im Rahmen des Projektes selbstständig der Erschließung dieses umfangreichen Briefwechsels als historischem Quellenmaterial. Sie verbinden dabei Einblicke in die Biografien der beiden Protagonist*innen und lokales Zeitgeschehen mit der europäischen Geschichte der NS-Zeit. Ziel ist es, einen Einblick in das Dasein von Roland und Hilde Nordhoff zu geben – als Beispiel für den individuellen Umgang von Menschen mit Krisen, Ideologie und dem Wandel ihrer Heimatstadt.
Mit dem Projekt wird gleichzeitig ein Stück Stadtgeschichte von Limbach-Oberfrohna anschaulich – jener Industriestadt, die sich vom ehemaligen Waldhufendorf über elegante Handschuh- und Trikotagenproduktion zur modernen Großstadt innerhalb Sachsens entwickelt hat.


