1943 – Erste Risse im Glauben an den Sieg

Januar/ Februar

Stadtzentrum von Stalingrad nach der Befreiung

Die Schlacht um Stalingrad als Wendepunkt

Die Schlacht von Stalingrad ist eine der bekanntesten Schlachten des Zweiten Weltkriegs. Die Vernichtung der deutschen 6. Armee und verbündeter Truppen im Winter 1942/1943 gilt als psychologischer Wendepunkt des Krieges, nachdem das nationalsozialistische Deutschland die Sowjetunion im Juni 1941 trotz eines Nichtangriffspakts überfallen hat. Der Industriestandort Stalingrad war ursprünglich ein operatives Ziel der deutschen Kriegführung und sollte als Ausgangspunkt für den eigentlichen Vorstoß in den Kaukasus dienen. Nach dem deutschen Angriff auf die Stadt im Spätsommer1942 wurden in Folge einer sowjetischen Gegenoffensive im November bis zu300.000 Soldaten der Wehrmacht und ihrer Verbündeten von der Roten Armeeeingekesselt. Adolf Hitler entschied, dass die deutschen Truppen ausharren und auf eine Entsatz offensive warten sollten, die aber im Rahmen der Operation Wintergewitter im Dezember 1942 scheiterte. Roland Nordhoff schreibt am 22. Januar 1943 angesichts der in Stalingradeingekesselten deutschen Truppen und ihrer Verbündeten, dass „die Nachrichten von den Fronten (…) ernst [sind] und (…) viel, viel Leid ahnen [lassen]. Du hast es gewiß verfolgt: Der Stützpunkt Welijke Luki [sic] wurde aufgegeben – und Stalingrad ist eine Insel, ist nicht mehr Front. Allenthalben zeigt sich der Feind überlegen an Zahl der Menschen und unsre Kriegsziele sind so gesteckt, daß wir die Front nichtverkürzen dürfen, daß wir nicht zurückgehen dürfen, Sieg ist nur bei uns, wenn wir all den Gewinn halten. Und um ihn zu halten sind immer mehr Anstrengungen erforderlich, immer mehr Menschen, Opfer – wohinaus soll das noch führen? Niemand weiß darauf eine Antwort. Und immer mehr fordert man von Euch daheim, immer mehr muß dem Ungeheuer Krieg in den Rachen geworfen werden – wie weit wird man das noch treiben?“(URL: https://alltag-im-krieg.de/obf-430122-001-01)Obwohl die Lage der nur unzureichend versorgten Soldaten im Kessel aussichtslos war, bestanden Hitler und die militärische Führung auf einer Fortführung der verlustreichen Kämpfe. Die meisten Soldaten stellten Ende Januar bzw. Anfang Februar 1943 zum Teil auf Befehl, zum Teil aus Material- und Nahrungsmangel die Kampfhandlungen ein und gingen in Kriegsgefangenschaft. Am 3. Februar ließ das Oberkommando der Wehrmacht im Rundfunk eine Sondermeldung verlesen, in der erklärt wurde, dass die 6. Armee „unter der vorbildlichen Führung von Paulus bis zum letzten Atemzug“ gekämpft habe, aber einer „Übermacht“ und „ungünstigen Verhältnissen erlegen“ sei. Die Behauptungen der Reichsrundfunksender gipfelten darin, alle Soldaten der 6.Armee hätten den Tod gefunden. In der Sondermeldung wurde nicht erwähnt, dass insgesamt 91.000 Soldaten in die Kriegsgefangenschaft gingen, was der britische Radiosender BBC bereits gemeldet hatte und dazu führte, dass mehr Menschen in Deutschland ihre Informationen von ausländischen „Feindsendern“ bezogen. Propagandaminister Joseph Goebbels, der diese Meldung lanciert hatte, wardadurch öffentlich als Lügner entlarvt worden. Die Tragweite der deutschen Niederlage in der Schlacht um Stalingrad hält Hilde Nordhoff am 03. Februar 1943 in einem ihrer Briefe fest, indem sie schreibt, dass „am selben Tage (…) das größte Herzeleid [geschieht], das uns Deutschen bisher in diesem Kriege widerfahren ist. Der Kampf um Stalingrad ist zu Ende. Die 6. Armeesteht nicht mehr. Alle sind von der Übermacht des Feindes erdrückt. Geliebter! Was sollen hier Worte? Es ist unbegreiflich, ist mir unbegreiflich, daß soviel blühendes Leben nie mehr heimkehren wird. Furchtbares Gericht!“(URL: https://alltag-im-krieg.de/obf-430203-002-01)Rund 10.000 versprengte Soldaten, die sich in Kellern und der Kanalisation versteckt hielten, setzten ihren Widerstand noch bis Anfang März 1943 fort. Von den rund110.000 Soldaten der Wehrmacht und verbündeter Truppen, die in Gefangenschaft gerieten, kehrten nur 5.000 bis 6.000 in ihre Heimat zurück. Im Verlauf der Kämpfe um die Stadt kamen über 700.000 Menschen ums Leben. Die meisten davon Soldaten waren der Roten Armee.